Montag, 3. März 2014

Schnee, oh weh - "Ich platze gleich" Teil 2 - Futtern in Yamagata

Also, erst einmal an alle Uneingeweihten: Ich bin gut in Thailand angekommen, nachdem ich in Tokyo von meiner Familie heimgesucht wurde. ;) Die Beschreibung werde ich aber hintenanstellen: Jetzt kommt erstmal der Abschluss des Berichts von Yamagata und dann geht es nach Thailand. Und wenn ich dann schon wieder in Deutschland sitze, weil mein Auslandsjahr nun wieder einamal um ist, dann lasse ich die knapp 2 Wochen Tokyo und Kyoto mit Family noch einmal Revue passieren. 
 
Am 12. Februar jedenfalls ging es mit Doppel-Master-Reisegruppe nun nach Yamagata, die Hauptstadt der Präfektur Yamagata und überhaupt die größte Stadt der Region, mit einer Einwohnerzahl von ca. 254000, also in etwa wie Halle (Saale). Unser erster Halt führte uns dann auch gleich ins Rathaus, wo wir Interviews mit jungen Angestellten hielten, die im großen ganzen auf die Frage hinausliefen "Warum um alles in der Welt bist du noch hier?!". Yamagata ist schließlich Provinz - wir erinnern uns: Alles außer Tokyo, Kyoto und Osaka ist Provinz. Ja, man liebe ja seine Heimat. Hier sei es ja so schön. Warum sollte man auch weg. Tokyo ist ja so groß und hektisch, das ist doch nix für so Landpflanzen. Und zu Hause haben man schließlich ein Haus, das sei auch so schön billig.....Die "echten" Gründen lassen sich an der Hand abzählen: 
  1. Man ist der älteste Sohn und hat heimzukehren und sich um die Eltern zu kümmern. Punkt. Variante B: Man hat einen ältesten Sohn geheiratet und muss zu diesem nach Hause, um diejenige zu sein, die sich tatsächlich um die alten Eltern kümmern wird.   
  2. In der Tat kommt es günstiger, im Haus der Eltern zu wohnen bzw. dieses zu erben. Die Mieten in Tokyo kosten ja gerne ab 1000 €. Das Geld, dort ein Grundstück zuerwerben etc. will man auch erstmal haben. 
  3. Auf dem Land gibt es genau zwei Arbeitsmöglichkeiten: 1. Banken, 2. Öffentliche Ämter. Und die Angestellten des Rathauses haben es eben geschafft, einen Beamtenstatus zu ergattern, der gilt immer noch lebenslang mit steigenden Pensionsansprüchen - eine sichere Laufbahn. 
  4. Der tatsächliche Wunsch, etwas für den Erhalt der Region zu tun. Der kommt wohl in dem Moment auf, in dem man sich entschließt, auf dem Land wohnen zu wollen.  
  5. ...das Essen? ;)
Anschließend ging es zum kulturellen Teil: Die Besichtigung der lokalen Otokoyama Sake-Fabrik. Streng wissenschaftlich (!) wurde erklärt und v.a. verköstigt: Sake bevor er Sake wird schmeckt unglaublich lecker. Obwohl es im Prinzip nur verdickte, noch nicht fertig vergorene Reiskleie ist... mmh. Aber Hand aufs Herz: Das Endprodukt war jetzt auch nicht schlecht. ;)  
  
 Riesenbottiche zur Produktion
 Fachgerecht gekleidet ging es hinein

Danach fuhren wir ins beste Hotel am Platz, da gerade der Direktor der Keio-Universität zu einer Konferenz dort war und wir einen Fototermin bekommen hatten. Wir waren also schrecklich wichtig und -viel wichtiger - ahead of schedule. Oh mein Gott, wir hatten ja fast noch 45 min. bis zum nächsten Programmpunkt! Was machen wir denn da? Ganz einfach, wir gehen ins Hotel-Cafe. Selten hat eine heiße Schokolade so gut geschmeckt! So gut die Kost der letzten beiden Tage auch war, mein Schokoladen-Pegel war stark gesunken, das konnte ja gar nicht gesund sein! Wenn ich nun von "wir" rede, dann meine ich leider nur den westlichen Teil der Gesellschaft. Unsere japanische Führung verweigerte sich konsequent der Abweichung vom Programm  und stand geschlagene 45 Min. vor (!) dem Café, bis sie wieder Herren der Lage waren und alle zum Bus scheuchen durften. Tja. Zum Abendbrot gab es ein wunderbares Steh-Buffet, bei dem wir mit in Yamagata lebenden Keio-Absolventen gehoberenen sozialen Statusses reden konnten und dann ging jeder auf sein eigenes Hotelzimmer und konnte Privatsphere genießen. 

 Diese schöne Bento-Box gab es zum Mittagessen am 13. Februar. 

Aber ich glaube, die meisten vielen früh ins Bett, denn auch am 13. gab es wieder volles Progamm. Wir fuhren zur lokalen Bank und machten weitere Interviews mit jungen Angestellten der Bank, sowie mit Angestellten aus Herrn Tomitas Kimono-Fabrik. Mein Gegenüber war zwar kein junges Personal, aber eine sehr quirlige ältere Dame, die uns erzählte, dass ihre Familie kein geld gehabt habe, sie zum Studium außerhalb Yamagatas zu schicken und dass sie den Beruf der Näherin seinerzeit gewählt habe, weil man wohl zu Hause aus arbeiten konnte und daher viel bei den Kindern war, und weil man selbstständiger war als als Office Lady. 
Nach ihrer Scheidung habe das auch geholfen, den Haushalt aufrecht zu erhalten, auch wenn sie deshalb nun ihren Sohn auch nicht auf eine Uni in Tokyo schicken könne. Daraus durfte man schließen, dass Unterhalts-Zahlungen in Japan wohl keine Selbstverständlichkeit sind. Jedenfalls braucht es 3 Tage, um einen komplett vorgelegten Kimono per Hand zusammen zu nähen, und drei Monate, um den Stoff dafür zu weben. Die Firma in Yamagata könne sich aber gut halten, auch wenn das Zentrum der Kimono-Kultut nach wie vor Kyoto sei. Aber in der Stadt gäbe es kaum noch Näherinnen, deshalb bekomme man viele Aufträge aus Kyoto. Aber auch in Herrn Tomitas Firma gibt es niemanden unter 30 Jahre, die meisten Näherinnen sind viel älter. Den ganzen Tag sitzen und Nähen ist nicht direkt der Traumberuf der jungen Leute.  
   
Danach besuchten wir den Austellungsraum der Stoffwebereivon Herrn Tomita, wo wir Taschentücher gebatikt haben und hausgemachten Plaumenschnaps sowie gebackene Mochi und vieles mehr verzehrten. Ein echtes Festmahl, nach dem wir kugelnd zum Abendbrot rollten.
 Die Übernachtum diesmal war nämlich wieder in einem Ryokan. Weniger traditionell und mehr touristisch, war das Abendessen dennoch ein Fest für die Sinne. Man beachte das Sushi im Eis-Iglu. :)
 Das Highlight des Ryokan war das Onsen-Bad, das wir an dem Abend natürlich unbedingt noch unsicher machten und gleich am nächsten morgen nochmal. Ich war seit Langem zum ersten Mal wieder in der Sauna. Zugegebenermaßen war es nach dem authentischen Onsen zwei Tage zuvor nicht mehr ganz so besonders, aber dafür befand ich eins der Bäder (es gibt ja immer eins für Männer und eine für Frauen, und morgens und abends wird gewechselt) in der 8. Etage, so dass man im Onsen plantschend die Sicht auf die schneebedeckten Berge genießen konnte. 

 Am nächsten Tag wurden wir von der Okami-san, der Gastwirtin, noch verabschiedet. Es ging noch in das tiefste Schneegebiet Yamagatas zum Mittagessen.
Die Region ist für Soba-Nudeln (rechts) bekannt, die aber erst gemacht werden, wenn die Gäste im Haus sind. Die Wartezeit wird mit Tempura, frittierten Gemüse und Garnelen, überbrückt - Das allein war eine Mahlzeit für sich. 
 
 Trotzdem schafften es fast alle Japaner, die Nudelplatten leer zu räumen.
 Man sieht, dass der Schnee ungefähr so hoch war wie die Autos - leider nur 1/3 der Schneemenge vergangener Jahre.
 Ein kleiner Schrein durfte nicht fehlen - Da zu wenige Schnee lag, waren wir mit dem Bus gut durchgekommen und hatten Zeit für eine kleine Extra-Tour.
 der ruhende Buddha in seiner Todesstunde
 Danach ging es auch schon zum Shinkansen nach Tokyo. Dort soll es schneien, weswegen wir nicht bis zum Abend warten sollten. In der Tat hatte ich eigentlich gedacht, dass das weiß vor dem Fenster des Zuges doch langsam mal verschwinden müsste - waren wir nicht schon in Tokyo angekommen? Wie die Ölsardinen standen wir anschließend am Gleis der Chuo-Linie, an einen der Bahnsteige, die noch nicht durch automatische Türen gesichert ist. Also ich hätte nicht am Bahnsteig stehen wollen: An dem Tag wurde mir nämlich klar, wie schnell jemand auf die Gleise gedrängt werden kann, wenn einfahc immer mehr Leute auf den Bahnsteig drängen, aber keiner weg kam. Schlimmer noch, wenn das Bahnhofspersonal zwar endlich die Eingänge gesperrt hat, aber die Hundertschaften bei Einfahrt des Zuges auch erstmal auf den Bahnsteig müssen, bevor die wartenden Leute hinein können. Sagen wir, diese Zugfahrt war nicht schön, und noch nichtmal Shinjuku als Ausstiegsort - immerhin einer der größten Umsteigbahnhöfe - erwies sich als einfache Option. Wir wären fast nicht aus der Bahn rausgekommen. 
Immerhin bot sich und ein interessanter Anblick: Shinjuku Bahnhof fast menschenleer, das hat man auch nicht alle Tage. Wir ließen uns jedenfalls nicht beirren und trafen einen alten Doppel-Master Kommilitonen, der gerade auf der Durchreise war.  

 Spätabends bot Hiyoshi dann dieses wunderbare Bild.
 Mein Wohnheim.
Schirmleichen am Bahnhof. Japaner müssen halt erst lernen, dass Schirme bei echtem Schneeschirm keine Option sind.

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