Sonntag, 11. Oktober 2015

Die todesblümeligen Spinnenlilien in Kinchakuda - Kamo-Schrein und Seiten-in

So langsam muss ich mal hinmachen mit den Erlebnissen vom Oktober. Ihr dürft euch also momentan über häufigere Berichterstattung freuen. 
Nach Regen, Regen, Regen (den ich euch in den letzten Posts wohlweißlich vorenthalten habe - was macht man schließlich auch bei Regen, wo ich doch nichtmal in diese stylishen Gummischuhe mit Absatz passe?!) war jedenfalls ein Ausflug fällig  - Die rosaroten Spinnenlinien, Lyrocis radiata, wollten sollten bewundert werden! Nach kaum 2 Wegsstunden aus Toyko heraus schipperte ich mit der Seibu-Ikebukuro-Line nach Hanno und dann weiter nach Koma, wo ich mittem im ländlichen Nichts ausstieg  - berüßt von diesen zwei Gestalten.

Der himmlische General zur rechten und die irdische Untergebene zur linken bewachen den Ort, der, wie man lernt, eine der ersten koreanischen Enklaven Japans ist. Mit der Vernichtung des Königkreichs Königreich Koguryeo (jap. Koma) vor ca. 1300 Jahren hatten ca. 1799 Menschen ihren Weg zum später nach Ihnen Koma benannten Fluß gefunden und niedergelassen. Heute ist das Nest eben ein Nest, wenn nicht an der Flußbiegung, wo früher Koreaner geackert haben, ein wunderbares Meer aus Spinnenlinien wachsen würde.

Der Weg zu den Lilien ist vorbildlich ausgeschrieben - auf Japanisch. :) Man sollte sich also das Ziel ¨Kinchakuda in Kanji aufschreiben und fleißig mit den Wegweisern vergleichen. Wahlweise folgt man der Masse. Da die Blumen so ziemlich das einzig außergewöhnliche sind, was Koma zu bieten hat, wird mit Hilfe der Bahngesellschaft inzwischen auch fließig dafür geworben, so dass sich das alljährliche Fest auch lohnt. Es war der letzte Tag am 1. Oktober, und wo ein Fest ist, da müssen ja wohl Blumen sein!  Es geht ein paar Meter ins Städtchinein, über einen Fluss, vorbei an kleinen Häuschen mit schönen Gärtchen und kleinen Buden, in denen frisches Ökogemüse lagerte - mit kleinen Schilder, die 100 Yen einfordeten, wenn man sich etwas mitnahm. Menschen-freier Verkauf ganz ohne Automatik. :) Und noch etwas erinnert an das koreanische Erbe: In der hinteren Reihe sind Peperoni-Stäuche, oder wie das koreanische Äquivalent korrekt heißen möge.
 
Am Ende kommt an einem Feld mit Vogelscheuchen heraus, die irgendwelche Grundschüler mühevoll gebastelt haben.  Alles ist idyllisch, maleerisch, ruhig - und verdächtig grün.

Dabei heißen die Spinnenlinien ja extra ¨rosarot¨. Man macht den weiten Weg ja auch nicht, um 3 oder 4 zu sehen, nein, es sollen tausende sein, hunderttausende Blümchen, ein ganzes Feld voll in strahlender, roter Pracht! Man rühmt sich, es seien genau 500.000 - Stängelchen, oder was?! 


Nix. Nada. Finito. Ratz, fatz niedergemäht von Regen und Wind. Außerdem war eben schon der 1. Oktober und weil die Blumen in der Tat kaum mehr als eine Woche schaffen, fand ich gerademal 1(!!!) Ftotaugliches Exemplar. Ist es nicht schön? 


Dabei verhieß nur noch das Schild, wie schön es bis vor Kurzem noch gewesen war: Man sieht die Biegung des Flusses und das Blümchenfeld.
Das Internet verrät, was ich verpasst habe. So hätte es aussehen sollen:

(Quelle: "Lycoris radiata Ans1" by Ans from ja. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons )

Oder so:

Tja, kaum war ich dreimal in Japan im September, schon kriege ich es wieder nicht hin, die Higanbana zu sehen. :( Bis zum nächsten Mal bin ich aber immerhin über die Hintergründe schlauer geworden.

Die Spinnenlilie heißt auf japanisch Higanbana (Equinox-Blume), weil sie immer pünktlich und kurzzeitig um den 23. September blüht. Damit fällt die Blüte ungefähr mit O-Bon zusammen, wenn Japaner Grabpflege betreiben und die Ahnen besuchen sollen. Die herbstliche Tag- und Nacht-Gleiche hat also auch etwas mit den Ahnen und dem Tod zu tun, weswegen die Blume auch "Todesblume" genannt wird. Was allerdings auch damit zu tun hat, dass die a) giftig ist und man bei Verzehr entsprechend selbst schnell Ahne werden kann und die Blume deshalb b) auf Gräber gepflanzt wurde, um Tiere abzuhalten. 

Die Blume musste sich jedenfalls einiges gefallen lassen, so z.B. Namen wie "Höllenblume", "Fuchsblume", "Totenblume", "Grabblume", "Verlassenes-Kind-Blume" und "Haarschneide-Blume". Außerdem habe man geglaubt, dass sich die Blümchen schlecht im Wohnzimme machen, weil sie auch mit Feuer assoziiertwird und als "Brandstifter" galt.

 Außerdem gibt es noch diese herzzerreißend tragische Geschichte zu berichten: Ein weiterer Name für die Blumen ist "manjusaka" (曼珠沙華), basierend auf einer chinesischen Legende über Elfen. Manju war die Elfe, die die Blüte der Lycoris schützte, Saka hatte sich um die Blätter zu bemühen. Da die Blume aber niemals Blätter und Blüte zur selben Zeit hat, konnten die beiden sich nie treffen. Eines Tages also beschlossen sie, trotzdem ein Treffen hinzubiegen. Natürlich waren die Götter sauer und betraften sie! Von daher sollten sie sich nie wieder treffen zu können. Hm...da waren die Götter ja sehr kreativ.
Bis heute wird jedenfalls (angeblich) auch geglaubt, dass, wenn man eine Person trifft, die man nie wieder sehen wird, diese Blumen um einen herum wachsen werden.Bringt also richtig glück, würde ich sagen. Vielleicht war es also besser, dass ich nicht so viele davon gesehen habe. ;)

Was blieb mir also anderes übrig, als mir die Landschaft anzuschauen. Und diese Wassermühle.

Auf dem Rückweg stolperte ich aber noch über dieses Schild, das unter den Kanji und der lateinischen Schrift auch eine koreanische Übersetzung hat. Es gab also auch einen Schrein.
Zunächst aber stieß ich auf einen gar nicht so kleinen Tempel, den Koma san Seiten-in shoraku-ji. Kurz Seiten-in. Er wurde von Koma no Jakou erbaut und nach dessen Tod zum Familientempel des nächsten residierenden Mönchs aus einer koreanischen Agelsfamilie gewesen zu sein. Er wurde in der Nara-Zeit (8 Jh.) gegründet.



Ja, auch hier macht die Moderne nicht halt. :)
Die Haupthalle
Innenansicht
Grab von Koma no Jakou, der aus Koguryeo (Korea) stammte und mit Familiennamen "König aus Koma" hieß, weil er ein im Exil lebender Nachkomme der Königsfamilie war. 

Danach ging es noch zum Koma-Jinja. Hier ist das obligatorische Eingangs-Torii, das auf einen großen Schrein schließen lässt. Was haben die noch alles in Koma versteckt?^^

Händewaschen nicht vergessen!

Es kann aber mehr gewaschen werden, als nur Hände. Z.B. Autos. Müssen schließlich auch gegen alle Widrigkeiten des Autofahreralltags geweiht und mit allen heiligen Wasser gewaschen sein.  Die Papier-Streifen markieren dabei den heiligen Bereich, in dem das Auto stehen muss.


Der Koma-Schrein selbst befindet sich allerdings gerade unter Generalüberholung. Auch der Schrein wurde im 8 Jhd. vom "König aus Koma" errichtet und ist auch heute noch Mittelpunkt für etliche Koreaner in der Gegend. Das japanisch-koreanische Freundschaftsfest packte gegen 15.00 Uhr am Nachmittag aber bereits ein. Die Freundschaft sah jetzt nicht sehr eng aus. Die meisten Japaner saßen wohl sowieso noch auf dem Blümchen-Fest, das viel näher am Bahnhof war...

Zu guter Letzt landete ich im einzigen  Café des Ortes, dem Bio-Café Alishan. Dort konnte man bei schönstem Sonnenschein auf der Terasse sitzen und auf den Fluß schauen. Sehr schön! Und Altjapanisch-Hausaufgaben machen, gegen das Gewissen. ;P