Montag, 11. April 2016

Calla-Lilien & Tamsui: Kleinere Ausflüge, um Kraft zu sparen (04.04.2016)

Wir sitzen im Shinkansen (11.04.2016) und fahren zurück nach Tokyo, um morgen Franzens gesamten Hausrat aus der Bude zu schaffen, bevor wir uns am Mittwoch in den Flieger Richtung LE zu setzen. Aber ich greife vor, noch hinkt der Blog um eine gute Woche hinterher ;)  (aber ich arbeite an der Aufarbeitung, sogar während der Zugfahrt!)

Am Montag vor einer Woche also, waren wir mit Go-San, einer von Franzens Freundinnen aus dem Shimoda, zum Abendessen verabredet. Weil in Taiwan Feiertag war, wollte sie sich bereits im Lokal ihrer Wahl in die Schlange stellen und eine Nummer ziehen (das Prinzip funktioniert wie bei uns die Wartenummern bei Amtsgängen), damit wir zusammen gegen 19:30 Uhr dort Essen gehen konnten. Also gut, Chinesen kann man auch nichts ausreden und so mussten wir uns überlegen, was wir am besten bis zu unserem Treffen tun wollten.

Am Abend zuvor bin ich bei der Einrichtung des freien W-Lan-Netzes auf der Seite der Stadtverwaltung Taipeis auf deren Ausflugstipps gestoßen: das Calla-Lilien-Festival in einem kleinen verschlafenem Ort  (Zhuzihu, noch nicht einmal auf der Karte zu finden) nahe des Yangmingshan-Nationalparkes nördlich von Taipei. Das erste Tagesziel war damit festgesetzt. Mit Bussen hatten wir ja unsere guten Erfahrungen gemacht und wurden auch diesmal nicht enttäuscht. Mit noch Luft zum Atmen im Bus war die Hin- und Rückfahrt auch erträglich, zumal wir noch jedes Mal Sitzplätze ergatterten. Auch wenn die Loops, Bodenwellen und das Auf- und Abgeschaukel des Busses meinen Magen auf die Probe stellten, musste ich zurück in Taipei lediglich einige Minuten tiiieeef durchatmen…

Das Festival sollte unter dem Motto der Fabeln Aesops stattfinden, also dachten wir, es würden – wie in Parks üblich – Rabatten entsprechend gestaltet, oder so Ähnlich. Wir hatten nicht erwartet, dass die Bewohner des Ortes bloß Calla-Lilien-Felder bewirtschaften und viele Besucher die Gelegenheit des „Festivals“ nutzten, um sich die Blumen, Schnipp-Schnapp, selbst zu pflücken, äh abzuschneiden. Und um zu Futtern. Egal, jetzt wissen wir, Calla Lilien  brauchen sehr feuchten Boden oder müssen sogar eine Zeit lang im Wasser stehen, um zu prächtigen. Das Wetter war schön und so spazierten auch wir über die Bretterstege durch die Felder und schauten hin, wo das Auge eben hängen blieb. Und da, tatsächlich, zwei Frösche, einer davon aufgeplustert. Das konnte doch nur der Ochsenfrosch sein, der größer zu sein vorgab, als er tatsächlich war – Aesops Fabelmotiv ist uns nicht entgangen!

Die Landschaft war meleeerisch, aber wie immer, ging sie im Dunst etwas unter.

Um diese Blümchen drehte sich alles, bzw. bückte sich jeder.
Die Fabeln oder Aesop, völlig egal, die Frösche sorgten für das Fotomotiv und das Wasser diente der Abkühlung.



Zurück in der Stadt wechselten wir in die Metro und fuhren bis zur Endhaltestelle im Norden Taipeis: Tamsui. Der Ort besticht nicht gerade durch seine Uferbebauung des Tamsui-Flusses, aber weil Feiertag war, war viel Volk unterwegs, schmauste und picknickte, was das Zeug hielt. Das kleine Volk autoscooterte glücklich über die Wiese und bekam gar nicht mit, dass eigentlich Papa beim Fernsteuern des Wagens den meisten Jux hatte. Wir sahen und ergatterten unsere ersten Postkarten, erstanden wieder einmal frisch gepresste Obst-Säfte und diesmal auch süße „frittierte Milchbällchen“. Wie das Zeug zusammen hielt, bevor es durch die Fritteuse gejagt wurde, weiß der Fuchs, geschmeckt haben sie leckerlich und deswegen erstanden wir auf unserm Rückweg auch noch sechs weitere. Direkt an der Küste war die Schwüle auch nicht ganz so drückend und so ließ es sich aushalten.

Tamsui: Die Straßen waren belebt und alles vermittelte das Gefühl von allgemeiner Heiterkeit. Da sind die hässlichen Wohnblocks im Hintergrund schnell vergessen.

Die Kultur kam auch nicht zu kurz. Taiwan (früher Formosa) wurde schon früh durch die Europäer als Versorgungsstützpunkt auserkoren und entsprechend befestigt. Das Fort San Domingo war ursprünglich eine durch die Spanier 1629 errichtete Festung aus Holz, bevor das Glück im Welthandel sich den Niederländern, später den Engländern, zuwandte und das Fort zu einer massiven Festungsanlage aus Stein ausgebaut wurde. Dort wollten wir hin.

Auf unserem Weg dorthin stolperten wir auf ein altes Gebäude zu, dass sich als erstes westliches Hospital in Taiwan entpuppte. Errichtet wurde es durch einen Arzt, der im Dienste der Presbytäer in Taiwan missionieren sollte: George Leslie Mackay (1844-1901). Da der Herr im kanadischen Verwaltungsbezirk Oxford geboren wurde, bevor er in Schottland zum (Zahn-)Arzt ausgebildet wurde, kann man in Tamsui noch heute die alte von ihm errichtet „Oxford-School“ besichtigen (wenn man vor 17:00 Uhr dort antanzt…), wo junge Chinesen in westlicher Medizin unterrichtet wurden. Zum Ensemble gehörten auch die christliche Kirche und eben das Hospital.

Denkmal für George Mackay, der nicht nur als Missionar und Lehrer tätig war, sondern sich auch gegen die Extrabesteuerung von chinesischen Einwanderern in Kanada einsetze, weil er sie als rassistisch ablehnte.
Die christliche Kirche in Tamsui. Heute gleich neben dem Gelände der Universität, deren Gründung ebenfalls auf Mackay zurückgeht.

Das erste westliche Hispital in Taiwan. Noch heute gibt es in Taipei das "Mackay-Gedächtnis-Krankenhaus".
Auf dem Hügel angekommen, machten wir einen Schnellgang über das Fortgelände, da die Schließzeit bereits herangerückt war. Das Fort erhielt sein aktuelles Aussehen 1868, nach dem zweiten Opiumkrieg, als die Engländer das Fort einnahmen und es rot anmalten (vorher weiß). Auf dem Gelände sind Kanonen aus dem 17. Jhd. zu bestaunen und ein Originalwasserbehälter aus Gusseisen aus dem 18. Jhd. (Ein Brunnen, oder dessen Reste, waren nicht auszumachen). Im Inneren des Forts war die Möblierung der Wohn- und Arbeitsstube, des Esszimmers und der Küche aus der Jahrhundertwende nach erhaltenen Fotographien wieder hergerichtet worden, nach dem das Fort 2005 als Museum für Besucher geöffnet wurde (kostenlos!). In Taiwan haben wir überhaupt nur selten Eintritt gezahlt… Das Land wird immer sympathischer.

Das Fort San Domingo.
Den Tagesabschluss markierte das gemeinsame Essen mit Franziskas Freundin. Diese hatte, aus welchem Grund auch immer, angenommen, ich könne auch Japanisch und hat sich wohl etwas gewundert, warum ich nichts zum Gespräch beigetragen habe… Nun ja, meine Versuche, die paar Brocken Japanisch zum Besten zu geben, die ich mir mühsam aus jahrelangem Anime-schauen eingeprägt habe, trug jedenfalls immer zur Erheiterung bei.  

Keine Kommentare: