Montag, 13. Juli 2009

Bis an den Rand der Erschöpfung

Voller Vorfreude machten wir uns auf den Weg nach Yokohama, um dort in den Nachtbus nach Kyoto zu steigen. Man muss sagen, für japanische Verhältnisse verläuft die Verteilung der Menschen auf die Busse reichlich chaotisch - an einem Treffpunkt stehen lauter junge Leute mit Jacken oder Westen in den Farben ihrer Companys und haben Listen, in denen die Buchungen verzeichnet sind. Hat man den richtigen Menschen gefunden, wird der Name gelb markiert und irgendwann brüllt einer, dass der Bus Nr. sowieso jetzt da wäre und die Passagiere einsteigen dürfen. Wenn man kein Japanisch kann, hat man ganz schlechte Karten, das ist was für Sprachkundige und andere Insider. Unser Bus hatte auch noch Verspätung, so dass wir erst um Mitternacht glücklich Nancy begrüßen und mit ihr gemeinsam loslegen konnten. Der Bus ist reichlich eng - für 42 kg - Personen absolut ausreichend, für uns einfach eng. Zumal ich typischerweise einen Volltreffer gelandet hatte; es gibt wirklich nicht viele dicke Leute im Land der aufgehenden Sonne, aber ich saß neben einer üppigen Frau und hatte mehr Körperkontakt, als mir lieb war. Abgesehen von der Unbequemlizität war es dadurch auch noch wärmer als so schon. Wir hatten alle drei keine Minute geschlafen, als uns der Bus pünktlich 6. 00 Uhr vor dem Kyoter Bahnhof freiließ. Nancy hatte eine Schüttelfrostattacke hinter sich und ich habe mich gefragt, ob sie wohl den Tag durchsteht. Wir stärkten uns erst einmal mit einem süßen Teilchen - kann jeder Streuselschnecke Konkurrenz bieten - und einem Kaffee. Dann war die Welt wieder ziemlich in Ordnung.
Ausgerüstet mit einem Stadtführer zogen wir in aller Herrgottsfrühe los und bestaunten die höchste Pagode in Japan - die Toji- Pagode. Ringsum eine schöne Anlage, alles fein geputzt und noch sehr still, aber wir waren nicht die einzigen. Andere Frühaufsteher waren schon bei Morgensport und/oder Kontemplation. Danach zurück zum Bahnhof, inzwischen war die Touristen - Information geöffnet und wir organisierten uns Linienpläne und ein Tagesticket. Das ist wirklich eine gute Erfindung - für 500 Yen (ca. 4,50 €) kann man den ganzen Tag mit fast allen Linien fahren und die Sehenswürdigkeiten in selbst gewählter Folge abklappern.
Für uns ging es als nächstes zum Sanjusangen-do, einer langen Halle, die für 1000 Skulpturen (Gottheiten) mit goldenem Anstrich berühmt ist. Fotografieren verboten, Bilder also nur von außen.
Einen größeren Komplex nahmen wir uns dann noch vor dem Essen vor - das Gelände vom Kiyomizudera - Tempel. Das sind x Tempel und Schreine, das Ganze auf einem Berg, natürlich bei brütender Hitze. Der Wettergott hatte meinen Wunsch erhört - die Regenzeit ist vorbei, jetzt prasselt ganztägig die Sonne und die Temperaturen sind nun über 30 °C. Wir hatten Glück - eine Studentin sprach uns an, ob sie uns durch das Areal führen könnte; sie studiert Englisch, liebt ihre Stadt und möchte ihre Sprachkenntnisse verbessern.
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Nach drei Minuten schwatzten die drei Girlies miteinander, als ob sie sich seit Jahren kennen. Natsumi hat uns wirklich vieles zeigen erklären können, so haben wir vergessen, wie groggy wir eigentlich schon waren, und gestaunt, wie plötzlich zwei Stunden vergehen können.

Danach gab es ein Leckerchen (Crepes) und wir trotzten unserer Müdigkeit und machten uns auf zum Heian Jingu Schrein. Als wir die einladenden Bänke unter Bäumen davor sahen, gab es jedoch eine Planänderung - Mittagsruhe.

Die Bänke sind zwar extra ungemütlich gemacht - mit Klötzern, damit man nicht liegen kann, aber wir haben das nach durchwachter Nacht und 6 Stunden Hitzeschlacht einfach ignoriert und fielen für ein halbes Stündchen ins Koma. Ein paar vorbeikommende Japaner haben sich zwar amüsiert, aber ohne Umschweife andere Bänke aufgesucht.
Danach hatten wir wieder Kraft für die nächste Attraktion, wieder eine weitläufige, im wahrsten Sinne des Wortes.


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Der Heian ist imposant, weil es eine wirklich sehr große Anlage für viel Menschenvolk gedacht ist, aber er wirkte sehr steril, irgendwie leer und zu aufgeräumt.
Nach so viel Rot und Weiß-Grau wollten wir uns etwas Grünes gönnen und fuhren zum Imperial Park, nur der Palst blieb uns verschlossen.
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Wir hätten uns vorher anmelden sollen. So wie uns ging es allen Leuten, die am großen Tor der Reihe nach ankamen, aber was half's? Außerdem waren wir inzwischen einen vollen Arbeitstag auf den Beinen und die wollten nicht mehr. Also wieder Ruhepäuschen. Ich habe in der Zeit eine Versammlung von Hündchen und Herrchen bzw. Frauchen beobachtet, die mich glauben lassen, dass auch in Japan manche Leute einen Klaps haben. Auf dem Foto sieht man noch den Abmarsch der Bodenwusel, nachdem sie über eine Stunde lang bestaunt, beknuddelt, fotografiert und gedeideit worden waren. Hübsch auch die Kostümierung - die armen Viecher, bei der Hitze. Ist leider nicht zu sehen - viel Pink, passend zu den Absätzen der Frauchen. Rechts daneben die beiden Schläfer - auch von Hundekläffen nicht zu wecken.
Für uns rückte die Zeit heran, da wir in der Herberge einchecken konnten, also wieder zum Bahnhof, Gepäck aus dem Schließfach und zu"Yahata". Eine Dusche, eine Runde Rücken gerade biegen auf dem Futon - und schon ist man ein neuer Mensch!
Die Mädels schliefen gleich mal wieder komatös, was mir recht war, immer in der Hoffnung, dass Nancy nicht schlapp macht. Kurz nach Sieben habe ich die Beiden aber hochgescheucht, denn mir knurrte so langsam der Magen. Wir liefen gefühlte 10 km nach Gion - ins alte Geisha- Viertel.
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Am Wege ein kleines Kneipchen, wir haben unser Okonomiyaki verputzt und waren für einen Abendspaziergang gerüstet. Wir haben sogar für einige Augenblicke eine echte Geisha gesehen, wenn auch nur im Taxi. Ansonsten trifft sich dort die Schickeria und wer sonst noch Geld hat, hier stehen an vielen Restaurants keine Preise und man kann auch oft nicht hineinsehen. Wirklich historisch sind aber nur wenige Gässchen, es ist nicht viel übrig, wenn ein eng gebautes Holzhäuschen- Viertel mehrfach abbrennt.
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Danach war wirklich Zeit für den Heimweg, auch wenn das Nachtleben gerade erst (gegen 22.00 Uhr) in Gang kam. Wir konnten einfach nicht mehr und fielen augenblicklich in tiefsten Schlaf, für mich war es seit meiner Abreise aus Leipzig das erste Mal, dass ich mehrere Stunden am Stück geschlafen habe - einfach herrlich.

1 Kommentar:

Shu hat gesagt…

Haha, das Parkbank-Bild ist echt zum Schießen! Ich würde auch lachen, wenn ich sowas in Deutschland sehen würde. Und wenn ich da noch zwei eindeutige Ausländer sehen würde, noch mehr ^^

Aber toll, so kam ich auch endlich mal in den Geschmack von Kyoto :D Weiter so^^