Dienstag, 14. Juli 2009

Kyoto von der schönsten Seite

Nach immerhin fast 6 Stunden Schlaf wurde ich wach und wusste zunächst das Geräusch nicht zu deuten, das mich aus dem Schlummer gerissen hatte. Erst nach etlichen Sekunden wurde mir klar, dass Nancy wieder Schüttelfrost hatte - ihre Zähne klapperten so laut. Glücklicherweise hatte ich von meiner Mum ein Wundermittel einstecken, für Notfälle wie diesen. Also habe ich Nancy das Elixier verabreicht. Was immer da drin ist - es hat geholfen, sie klapperte erst langsamer und schlief nach einer Viertelstunde wieder ein. Als wir uns gegen 10 schließlich erhoben, waren wir doch recht fit und für eine weitere Runde exkursionstauglich. Beim Frühstück wurde ein ordentlicher Wander- und Zeitplan ausklamüsert und schon ging's los. Zuerst, gar nicht weit vom Bahnhof, der Nishi Honganshi Tempel, ziemlich groß und innen reichlich ausgestattet. Hier habe ich zum ersten Mal eine japanische Nonne gesehen.

Danach machten wir uns auf den Weg zum Schloss - endlich mal eine Residenz (über 1000 Jahre lang, bis 1868), kein Tempel oder Schrein. Was wir dann zu sehen bekamen, hat uns auch wirklich gefallen. Ein Riesenkomplex vieler aneinander gebauter und aufwendig bemalter Räume, miteinander verbunden durch einen Gang, den sog. "Nachtigallenflur". Wenn man darüberhuscht, geben die Dielen Töne von sich, aber sie knarren eben nicht, sondern "zwitschern" eher. So konnte(n) der Shogun bzw. seine Bodygards immer hören, ob sich einer in übler Absicht anschleicht, ohne dass es wirklich auf die Nerven geht. Klappt heute noch. Die Malereien (japanische Motive, aber auch Abstraktes) sind prächtig, ebenso wie der große Garten. Erstaunlich nur, dass der umgebende Graben leer ist, wo doch die Regenzeit gerade erst aufgehört hat. Diese Anlage gehört zum UNESCO- Weltkulturerbe und hat mir von allen Sehenswürdigkeiten am besten gefallen.



Danach wurde es Zeit, sich schleunigst noch einmal nach Gion zu begeben, am Verkehrsstau war zu merken, dass da viele hinwollten. Ende dieser Woche findet das Matsuri-Fest statt und heute sollte schon einmal geprobt werden. Es ist ein religiöses Fest, bei dem die Kami (alles, was Ehrfurcht hervorruft) verehrt werden. Höhepunkt ist jedes Jahr am 17. Juli ein Festumzug mit hohen Wagen voller Trommler, die von einer Art Fahnenstange gekrönt und von auserwählten Bewohnern der Straße, durch die der Weg führt, gezogen werden. Damit auch alles klappt, wird zu vorher exakt festgesetzten Zeiten der Verkehr gesperrt und geprobt, ob auch alle richtig ziehen. Ein Riesenauflauf und Gedrängel, aber wir waren clever und hatten ziemlich gute Sicht.

Viele Im Yukata, manche sogar mit diesen unsäglich unbequemen, weil absolut starren Holzpantinen. Die Polizisten hektisch pfeifend und wild wedelnd. Am Freitag wird das Ganze sicher noch prächtiger, denn dann haben alle ihre Traditionsgewänder an; sicher wird auch das Gewimmel noch viel größer. Ich habe einen kurzen Videomitschnitt gemacht, bin aber noch nicht genügend qualifiziert, ihn hier einzufügen. Das wird mir Franz erst heute Abend zeigen. Bis dahin müsst ihr euch mit den Bildern begnügen.

Das Gewusel war nach einer reichlichen halben Stunde für diese Straße vorbei, weshalb die Leute schlagartig zur nächsten Seitenstraße strömten, um das Ganze auch dort einmal zu üben. Wir dachten jedoch, schöner könnte dies auch nicht klappen und fuhren in den Norden der Stadt, um den Goldenen Pavillon anzuschauen. Er ist natürlich nicht aus Gold, sondern "nur" mit Goldfarbe gestrichen, weswegen ordentliche Fotos in der Sonne nicht so einfach sind. Er glänzt ganz ungeheuerlich, da können die Augen schon einmal wehtun. Dieses Foto wurde von einem Polizisten gemacht, der eigentlich zur Bewachung da ist. Aber er hatte einmal einen Fotoapparat in die Hand genommen und konnte sich nun vor Aufträgen nicht mehr retten. Um den Pavillon gibt's einen wunderschönen Garten (mit vielen Pilzen) und mehreren Stellen, an denen vor Götterfiguren kleine Schalen aufgestellt sind. Sie haben etwas Abstand zum Gitter und bringen dem Glück, der es schafft, eine Münze direkt in die Schale hineinzuwerfen. Smarter Einfall, wie es zum Schluss aussieht, seht ihr unten.

Nicht weit davon befindet sich noch etwas Besonderes, der Ryoanji-Tempel, eigentlich im Wesentlichen ein Steingarten. Es war der Punkt unserer Reise, an dem wir an die Grenzen unserer Weisheit stießen: Wir haben nicht wirklich begriffen, warum malerisch im Sandkasten plazierte Steine soooooo ungeheuer bedeutsam sind. Wahrscheinlich fehlt uns dazu - so wie den anderen Besuchern offensichtlich auch - die nötige Reife. Die Mönche werden etwas damit anzufangen wissen. Erstaunlich ist allerdings, wie auf Bildern und in Prospekten der Eindruck erweckt wird, es handele sich um eine große Fläche. Profan geschrieben ist und bleibt es ein größerer Sandkasten mit Felsbrocken (Entschuldigung!), vor dem die Leute ratlos sitzen, schwatzen und Fotos machen.
Gestärkt mit einem neuerlichen 10 000 -Kalorien - Crepes hatten wir uns für den Abend noch etwas Schönes aufgehoben, den Inaritaisha. Es handelt sich - wie auch sonst - um ein Schreinensemble, etwas am südöstlichen Rande der Stadt, bestehend aus unzähligen Toren, die einen Weg zum Berg hinauf säumen, an dessen Rand ebenso unendlich viele Schreine und Schreinchen stehen. Der Weg dahin vermittelt ein Bild vom normalen Kyoter Vorstadtleben - kleine Häuschen und Gässchen.

Es wurde langsam dunkel (hier ist es kurz nach Sieben wirklich finster), aber durch die Lämpchen wirkte die Anlage geradezu "romantisch". Außerdem ein Vorteil der späten Stunde: Fast keine Leute außer uns mehr da, nur ein paar vereinzelte Touristen, die keinen Wert auf geöffnete Fress- und Souvenirbuden legten. Und ein paar Jogger, die wie die Bergziegen an uns vorbeizogen.

Belohnt wurde der schweißtreibende Aufstieg mit tollen Ansichten und einem Superblick über das bereits erleuchtete Kyoto, das Foto davon ist nicht halb so schön, das gibt mein Apparat nicht her. Wir waren geschafft, hatten aber einen gelungen Abschluss unseres Wochenendes.


Nun noch zurück zum Bahnhof, wo der mittlerweile hell erleuchtete Kyoto-Tower grüßte, gemütlich ein paar Häppchen einwerfen, und schon waren wir gerüstet für eine weitere Nacht im Bus. Dieses Mal habe ich streckenweise geschlafen, neben mir zum Ausgleich eine ganz zierliche Person, die ihre Knochen origamiartig auf ihrem Platz gefaltet hat. Ankunft vorzeitig morgens um 4.44 Uhr in Yokohama, wir mussten ein Viertelstündchen auf die erste Bahn warten, waren damit aber nicht die einzigen. Halb Sechs horchten wir noch eine Runde an den Futons.
Klasse Wochenende, können wir aber nicht so oft machen - zu teuer und zu anstrengend, aber schöööön!

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