Mittwoch, 19. August 2015

Seoul Tag 2 - Sommer, Sonne, Sonntag


Nach einem späten Frühstück (erst um 9:00!!!) und einem noch viel späteren Aufbruch zu unserem ersten richtigen Tag in Seoul, sind wir im Yeouido Hangang Park angekommen. Von dort aus sollte unser erster Weg zur Kirche der größten christlichen Gemeinde Koreas führen, der Yoido Full Gospel Church. Allerdings hatten wir es nicht sooo eilig, da der Wasserspielspaß an der Uferpromenade zum Flanieren im wadentiefen Wasser einlud, um den glühenden Socken Abkühlung zu verschaffen.


Wasserplantschbecken bei der ansässigen Bevölkerung großer Beliebtheit, so dass der gleich nebenan stattfindende Büchermarkt kaum Beachtung fand. An der Kirche angekommen, reichte es mir nicht, mir das Ding von außen anzusehen und in dem Glauben, einfach eine Kirche besichtigen zu können, stiefelten wir beide zur Eingangstür rein. Wir fanden uns einer Hundertschaft freiwilliger Organisatoren gegenüber, die aber gar nicht entsetzt dreinschauten. Sogleich wurden wir in Empfang genommen, zu einer Ausländerbetreuerin gebracht, die uns zum Hauptraum geleitete, wo gerade der Gottesdienst noch in vollem Gang war. Auf der Ausländer-Tribüne angekommen, bekamen wir ein Programm in die Hand gedrückt und Kopfhörer mit Live-Übersetzung aufgesetzt und durften nun koreanischen Gottesdienst live und in Farbe miterleben. Ein Hauch Gospel, eine Priese Drama und gaaanz viel Halleluja, das ist koreanischer Gottesdienst in einer vollgestopften Kirche, wo Jung und Alt mal andächtig, wo angebracht, mal voller Hingabe, wenn dazu aufgefordert, dem Singsang des Oberhirten Folge leisten. Zwar ist allemal was los, aber was sektenartiges hat es auch… Bevor die Kollekte zu uns durchgereicht werden konnte, machten wir uns auf den Weg und verließen das Gotteshaus wieder, bevor sich die Massen auch zum Ausgang begeben würden.

Anschließend spazierten wir durch zwei der ersten nach 1950 angelegten Parks, dem Yeouido Park und dem Yeouido Saetgang Ecological Park (der ein bisschen was von Wismarer Kuhweide hat). Das Projekt Stadtverschönerung, um das Leben in Seoul lebenswerter zu machen, dauert bis heute an, hat aber schon Bemerkenswertes geleistet. Neben Parks und Wasserspielen wurde auch der (im letzten Blogeintrag bereits erwähnte) Cheonggyecheon Kanal wieder freigelegt und zu einer Schlenderzone mit Bepflanzung, Sitzgelegenheiten und Platz für Kunst umfunktioniert. 


 

Wir landeten schließlich an einer Imbiss-Bude, wo wir uns Fruchtshakes bestellten, die unseren literweisen Wasserkonsum geschmacklich ergänzten. Zum Glück war es ein Open-Air-Café, denn vom Erreichen des Gefrierpunkts ist der Innenbereich sämtlicher kulinarischer Einrichtungen nicht weit entfernt. Dank kostenlosem W-LAN überall machte ich mit Sieun, einer Freundin aus Frankfurter Wohnheimzeiten, ein Treffen zum Abendessen für Mittwoch klar. Zurück im Seouler Zentrum gingen wir die Hauptstraße entlang, die erahnen lässt, warum Seoul die Image-Maßnahme notwendig hatte und was sie daraus gemacht haben - Die unzählichen Gebäude im 60er Hochhauschic sind inzwischen umzingelt von den schrägsten Designer Glaskästen und natürlich, mittendrin ist eine alte Palastanlage.
 Voila, das Rathaus. Also das alles da - Der Glaskasten und das "Bankgebäude" und das ominöse Tor
Nachdem wir auch den Deoksugung Palast mit seinen architektonischen Besonderheiten gewürdigt hatten, u.a. eine Palasthalle, die von einem russischen Architekten Ende des 19. Jahrhunderts entworfen wurde, und das heutige Kunstmuseum, ein Bau, der auch in Sankt Petersburg stehen könnte, war die Essenszeit schon arg nahe herangerückt.

Allerdings wurde aus einem Happen erst einmal nichts. Gerade, als wir dem Palast endgültig den Rücken kehren wollten, wurde mit Pauken und Trompeten etwas angekündigt, von dem wir zwar nicht wussten, was es sein würde, weswegen wir aber lieber erstmal dort stehen blieben, wo auch alle anderen bereits stehen geblieben waren. So entgingen uns nicht die koreanische Kampf-Kunst-Vorführung und ein Rollenspiel, bei dem die Befreiung/ Unabhängigkeitserlangung Koreas nachgestellt wurde (?). Wir wissen es nicht genau, da die englische Übersetzung kaum zu verstehen war (wegen dem Lärm drum herum, nicht weil das Englisch der Koreaner generell so schlecht gewesen wäre), aber da ja immer noch Feiertag-Wochenenden-Sonntag war, ist so etwas in der Art zu vermuten. 
 Leider nicht auf dem Bild - Ich war überrascht, dass die Koreaner Muschel-Trompeten hatten, wie man sie aus Ozeanien kennt.


Danach machten wir uns dann aber doch in Richtung Myeongdong auf, wo alle kosmetikläden dieses Landes mit gleich mehreren Filialen versammelt sind. Es wäre ja auch gelacht, wenn man den Krieg um die Geld-gewichtigen chinesischen und japanischen Tourstinnen nicht gewinnen könnte! Schnecken-Schleim ist gerade ganz groß in Mode für die schöne Haut! Außer Schnick-Schnack und teuren, super noblen Shopping-Zentren (alle voll) gibt es auch Fressbarkeiten aller Art in großen Mengen. 
Das prägt das Stadtbild von Seoul - in den oftmals zur Fußgängerzone erklärten Einkaufspassagen werden gegen 17.00 Uhr die Wagen angekarrt und eine ganze Herde mobiler Stände macht sich in der Stadt an allen Ecken und Enden breit, um die ewig durch Seoul shoppenden und hirschenden Leutez zu versorgen. Franz erweiterte ihre CD-Sammlung und probierte an die 20 Sonnenbrillenmodelle auf, aber vergeblich. Das Brillen-Muss diese Saison ist einfach nicht für das Fränzchen geschaffen. Ein Blick in den Himmel ließ die Sonnenbrillen aber vergessen - wo waren di Regenschirme? Ein Weltuntergangshimmel wie aus dem Bilderbuch hatte sich hinter den Hochhausfassaden angeschlichen - oha! Noch schnell zwei Hühnchen-Spieße und 6 Gyoza-Stückchen geschnappt und noch kurz zum Obst gelinst - nein, da pladderte es auch schon in solch dramatischen Ausmaßen, dass die 200 Meter zum Bahnhof kein guter Plan mehr waren. In Rekordzeit wurden Planen, Decken, Tücher, Plastedächer über die mobilen Straßen-Kleinküchen gestülpt und schnipp, lag die eben noch menschenvolle Straße wie leergefegt vor uns. Wir mampften unser Essen derweil unter dem Schutz eines Einkaufszentrumdaches. 


 Da der niedergehende Wolkenbruch nicht von der kurzweiligen Sorte zu sein schien, verkrümelten wir uns in die entdeckte Touristen-Informations-Zentrale und stöberten die Info-Broschüren durch. Im leichteren Regen (nicht zu verwechseln mit leichtem Regen oder gar Nieselregen) huschten wir zur U-Bahn und fuhren zum Hostel zurück. Dort schmiedeten wir Pläne für den Montag. Denn, wie hieß es in einem anderen Blog so treffend: „Don’t bother to come to Seoul on monday.“ Oder: „Seoul in drei Tagen, es sei denn, ein Montag ist dabei“. Tatsächlich, montags hat eigentlich alles Besichtigungsürdige zu. Also mussten wir irgendwo hin, wo garantiert immer offen ist. Natürlich, klar wie Kloßbrühe, eine sichere Bank: die Universitäten!

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