Mittwoch, 16. Dezember 2015

Kyoto: Der donnernde Drache im Shoukoku-ji

Am Freitag, dem 20. November, war strahlender Sonnenschein angesagt und ich las meine Texte schwitzend in einem sehr schönen kleinen Café, dessen Terassen-Platz ich mir natürlich sofort schnappte.

Für die kulinarisch Interessierten: Die Süßigkeit der Kafféstunde war "o-senzai" (Schale links). Das weiße sind geröstete Reisklößchen, die allerdings so lange gestampft worden sind, bis der Reis eine klebige Konsistenz annimt und leicht süßlich schmeckt. Das ganze schwimmt in süßer Azuki-Bohnensuppe und schmeckt himmlisch, v.a. wenn man dazu guten Maccha-Grüntee trinkt, der absolut bitter schmeckt.  

Am Samstag dann war der Tag des Seminars, weswegen ich überhaupt zur Reise aufgebrochen war. Bevor dies 13.00 Uhr began, unternahm ich jedoch einen letzten Versuch, mich für Kyotos Tempel zu interessieren. Ein Professor, mit dem ich mich getroffen hatte, riet mir, den Shoukoku-ji zu besuchen, der recht leer und interessant sein sollte. So schwer, wie dieses Mal, viel es mir jedoch selten, eine Sehenswürdigkeit als sehenswert einzustufen. Denn Kyoto säbelte gekonnt an meinen Nerven, denn es war Herbstzeit, verlängertes Wochenende und ich brauchte ein großes Schließfach für meinen Koffer am Bahnhof. :( Die Aussichten waren schlecht, wie ich aus Erfahrung wusste - ab 7.00 Uhr: Ankunft der Fernbusse; ab 8.00 Uhr: Schließfächer adé. Die Gepäckannhame hatte schon ihr Schild aufgestellt ( = eine Stunde Anstellen) und schloß außerdem zu früh. Also kreiste ich durch den Bahnhof, die Kaufhäuser, das Untergrundkaufhaus, schärfte meinen Blick und spitzte die Ohren, bis ich das ersähnte Signal empfing - in einem der Aufgänge, so munkelte es, soll es noch freie Plätze geben. Nix wie hingehuscht und kaum hatte ich mein Köfferchen eine gute Stunde spazieren gefahren, schon hatte ich ein entsprchendes Fach. Die Nerven waren allerings blank und die Aussicht auf einen weiteren überfüllten Touristenmagneten reizte mich nicht ein bisschen.

Aber das Wetter war schön, ich wollte wenigstens spazieren gehen und der angepriesene Tempel liegt praktischerweise direkt an der Doshisha-Universität, so dass auch keine Ausrede gegolten hätte. Also auf in die heiligen Hallen!  


Der Shōkoku-ji (相國寺 "Landes-Tempel") ist einer der sieben Haupttempel der buddhistischen Rinzai-Schule und hat als solcher über 100 Zweigtempel, darunter den Goldenen und Silbernen Pavillon. Der Bau des Tempel wurde auf höchsten Kaiserlichen und Shogunalen Befehl im Oktober 1383begonnen, brannte aber quasi ständig hier und dort und ist heute nicht mehr so bekannt oder berühmt wie seine metallfarbenen Söhnchen. Trotzdem ist er ein schönes Plätzchen, denn die etlichen Gebäude liegen in einem Parkgelände und außerdem beherbergt der Tempel Elefanten und Drachen. 

Vom Drachenfresko an der Decke einer großen Halle durfte man leider kein Foto machen, aber hier kann man es sehen: Link. Der Drache ist so gemalt, dass er einem immer mit den Augen folgt, wenn man in der Halle umher geht. Außerdem sieht es so aus, als würde sich der Drache dabei auf den Bauch drehen. Das ist schon ziemlich beeindruckend. Noch besser allerdings ist das "Donnern" des Drachens - wenn man genau in der Mitte der Halle steht und in die Hände klatscht, wir das Klatschen so von den Wänden reflektiert, dass man ein Geräusch hört, dass dem Klackern von Murmeln auf einem Dielenboden ähnelt. Es ist so gut hörbar, dass ich und die zwei Ömchen neben mir gute 5 Minuten dastanden, und wie die Kinder in die Hände klatschten, um das Geräusch zu hören. :) Außerdem hat der Tempel auch ein Bild der Göttin Kannon, dessen Linien samt und sonders aus Sutren-Text gemalt sind. Zu Guter letzt hat ein guter Zen-Tempel auch einen schönen Zen-Garten. Ich erinnerte mich, als ich zum ersten Mal in Kyoto im berühmtesten aller Zen-Gärten war und mir dachte: "Mäh. Sand und Steine." Nicht so dieses Mal: Denn wenn nicht gerade ganze Schulklassen an einem vorbeirauschen und Touristen tratschen und Blitzen, kann so eine Zentempel-Veranda ein Ort echter Entspannung sein. Einfach mal sitzen, sonnenbaden und Rillen im Sand verfolgen - Ich werde nie wieder etwas gegen Zen-Gärten sagen! So waren jedenfalls die Tempel für mich gerettet und ich konntem ich mit Kyoto versöhnen, das mir seit dem Tofukuji gehörig auf die Nerven gegangen war.   


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