Am 17. August habe ich also den Großen Buddha besucht und mich dann auf den Weg zur Doshisha Universität und dem Gion-Matsuri gemacht. Eine von zwei Paraden hatte ich damit leider verpasst, und natürlich wäre es die interessantere mit den großen Umzugswagen gewesen. Schade, schade.
Die umzugswagen in Miniatur
Allerdings machte es an dem Tag auch einfach keinen Spaß. Als ich in Kyoto ausstieg, begrüßte mich so ein großer Wolkenbruch, dass ich, obwohl ich schon am Ausgang war, noch einmal freiwillig über Rolltreppen und durchs Bahnhofslabyrinth schlich, nur um mir 30 Meter Fußweg zu sparen. Aber es half alles nichts, den Weg vom Bus zum Guesthouse wurde ich aus Eimern begossen und als ich dann zur Doshisha Universitäts-Bibliothek wollte, waren wir schon bei Badewannen-Ladungen angelangt. Ich schwamm also den Bürgersteig entlang, in der Hoffnung, dass die Bibliothek nicht allzu streng war an dem Tag. War sie zum Glück nicht. Also vebrachte ich die nächsten Stunden mit Materialsuche und hoffte, dass ich vielleicht immerhin Abends meine durchweichten Sohlen würde trocknen können.
(Die Fotos sind im übrigen vom Samstag, als es nicht mehr regnete)
Die Doshisha wurde einem ehemaligen Samurai, Niishima Jō (新島 襄, engl. Joseph Hardy Neesima, 1843–1890) gegründet. Niishima war 1864 im Bestreben, eine westliche Ausbildung machen zu können, heimlich aus Japan nach Boston gereist, obwohl Auslandsreisen vor der Landesöffnung 1868 verboten waren und eigentlich eine Rückkehr ausschlossen. Er war der erste Japaner, dem in Übersee
akademische Auszeichnungen verliehen wurden.
Der Glückspilz erlebte die Landesöffnung jedoch noch und kehrte 1875 zurück. Er gründete die Dōshisha Eliteschule (同志社英学校, Dōshisha eigakkō) in Kyoto, die schließlich auch eine Rechtsschule, eine gewöhnliche Schule und ein Frauencollege umfasste. Der Name Dōshisha bedeutet wörtlich etwa: „die Gesellschaft der Menschen mit dem gemeinsamen Willen“.
Um 1920 war die Dōshisha schließlich zu einer Volluniversität anglo-amerikanischer Tradition gewachsen. Heute zählt sie zu den besten Universitäten in der Kyoto-Region und liegt im Landesranking zwar nicht unter den besten 10, aber knapp dahinter.
Nix da, gegen 17.00 Uhr waren die Badewannen ausgegangen, es regnete Sturzbäche und ich setzte mich in ein Cafe nähe der Gion-Kreuzung, wo am Yasaka-Schrein der Umzug staarten sollte. Obwohl es heiß war in Kyoto, fror man in den klimatisierten Cafes an diesem Tag besonders schön und so ging ich freiwillig wieder raus, als die ersten begossenen Pudel, äh, majestätischen Fahnenträger die Straße marsch-plätscherten. Was für ein herrlicher Anblick - die Mannen in weißen, komplett durchnästen Kostümchen sahen unfreiwillig... äh... freizügig aus und versuchten trotz der Regenoffensive irgendwie festlich dreinzuschauen.
Die Umzugsgägenstände hatten leider in Plastikplanen eingewickelt werden müssen, so dass Tanz und Musik ins Wasser fielen. Auch das "heilige Kind", das den Umzug auf einem Pferd reitend führen sollte, durfte nach kurzer Zeit vom Pferderücken krabbeln. Der Mikoshi-Umzug selbst fand aber statt. Vielleicht sah man also an dem Tag interessanterweise mehr vom eigentlichen Gion Matsuri als sonst - schließlich ist das Fest mehr als nur eine Touristenattraktion, sondern entstammt einer alten Tradition, nach der Krankheitsgeister im Sommer, in dem bekanntlich Epidemien und Lebensmittelvergiftungen besonders gern die Runde machten, aus der Stadt befördert werden sollten. Im Jahr 869 wurden wohl erstmals die O-mikoshi (tragbaren Schreine) des Gion-Schreins durch die Straßen von Kyōto
getragen, um eine Seuche zu bekämpfen, die die Stadt befallen hatte.
Das Matsuri fällt daher selten aus - obwohl wegen des Taifuns die Sorge bestanden hatte, ob die meterhohen Umzugswagen am Morgen fahren würden, weil die bei zu viel Wind lebensgefährlich werden können. Deshalb hatte ich mir das ja auch gespart.
Für die Zuschauer gab es glücklicherweise die überdachten Fußwäge
Jedenfalls versammlten sich die verschiedenen Mannschaften vor dem Yasaka-Schrein zur Zeremonie, um dann anschließend die oft tonnenschweren Mikoshi auf zwei Tragebalken durch die Straßen zu befördern. Dabei stellen sich die (zumeist) Männer fächerförmig auf, wobei jeweils ausgehend von den Trägern Ketten gebildet werden, indem man die Hand an der Schulter des Nebenmannes hält. Durch lautes Rufen werden die Träger angefeuert, die ihrerseits ihre Verehrung für die Gottheit zeigen müssen, indem sie den Mikoshi nicht nur tragen, sondern auf ihren Schultern auf und ab wippen. Das ermöglicht auch einen raschen Wechsel der Träger, wenn jeweils der nächste in der Kette die Position übernimmt.
Leider ist das Masturi, wie so oft, inzwischen nur noch zum anschauen und nicht zum mitmachen. Eigentlich sollten die Zuschauer ebenfalls durch Rufen und Klatschen helfen, aber man hält ja lieber Handys und Kameras, um Fotos in Dauerschleife machen zu können. Danach bin ich abgerückt - mir hat's gereicht. Lustigerweise hatte unser Hostel Schuhtrockner - quasi ein Föhn, dem man sie Schuhe drüberstülpen konnte. Zum Glück schienen alle anderen zu faul dazu zu sein, ich glaub, ich habe meine Ledersandalten die ganze Nacht damit trocknen lassen. Dann konnte ich sie immerhin wieder einpacken.
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