Dienstag, 13. November 2012

Der Oktober: Staub und Staub-Bekämpfung ;)

Am 22. Oktober 2012 (ein Montag) stand Intellektuelles auf dem Plan. Im Mita no Ie, dem Gemeindehaus in der Nähe der Keio, hielt Simon (ein Jahr unter mir in meinem MA-Kurs) einen Vortrag über die diplomatischen Verhältnisse zwischen China und Japan nach dem Krieg. Interessant war die anschließende Diskussion über das Yasukuni-Museum. Das Museum ist am Yasukuni-Schrein, dem Schrein für die Kriegsgefallenen Japans. Der Schrein kommt alle Jahre wieder in negative Schlagzeilen, wenn Japans Politiker dort beten, weil Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges eben auch dort verehrt werden. Dann fordern China, Korea und andere Staaten eine Entschuldigung von Japan für die verübten Verbrechen, die bisher in aller Offiziösität noch nicht erfolgt ist. Das Museum am Schrein ist denn auch einschlägig nationalistisch geprägt und wartet vor allem mit einer Galerie der gefallenen Kamikaze-Kämpfer und einem netten Einührungsvideo über die freundlichen Absichten Japans im Bezug auf die "Befreiung" Asiens von westlicher Herrschaft. Vor allem die Kamikaze-Verherrlichung war ein Punkt, an dem sich die Geister schieden, denn an dem Mythos scheint man sehr ungern zu rütteln. Spannend war jedoch auch die Sicht etlicher, deren Familienmitglieder in der Mandschurei geboren worden waren, das damals zu Japan gehörte. Nach dem Krieg war das ja plötzlich nicht mehr Heimat und etliche Teilnehmer sprachen darüber, dass die "Tabuisierung" des Redens über die alten Gebiete persönlich schwer zu verarbeiten war, denn man war eigentlich ein Fremder in Japan, der allerdings kein Fremder sein durfte und dessen kulturellen Eindrücke aus der Mandschurei totgeschwiegen werden mussten. Bis heute gibt es wenig Offenheit zu diesem Thema. 

Der Rest der Woche verstaubte ich wieder in der Bibliothek. Deshalb musste die trockene Kehle abends dann auch geölt werden, bei Treffen mit diesen oder jenen alten Freunden. Es sind über die Jahre doch einige zusammen gekommen. :D 
Am 25. Oktober ging es los mit einem Haufen Wahl-, Auslands-, Kurzaufenthalts- und sonstiger Hallenser.

Im Monsoon-Cafe in Shibuya war am 26. Oktober das internationale KOPRA-Treffen (das jeden Monat stattfindet) mit den üblichen Verdächtigen: Ryuichi, Atsushi, Taka und *-*, außerdem Shu aus Halle und ein paar mehr, die ich schonmal gesehen habe. Adressen finden in Shibuya ist wirklich Überlebenskunst, wenn man kein Internetz-Handy hat. Lustigerweise wusste ich genau, wie die Kreuzung aussieht, wo das Restaurant war, aber welche der 1000xverschachtelten Wege führen wie nach Rom? @_@ Aber ich hab's gefunden und war pünktlich wie ein Schneiderlein. 
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Besonders habe ich mich auf den 27. Oktober gefreut, denn da bin ich mit Kozue weggegangen. Kozu wohnt im Freshroom, meinem Guesthouse, und hatte einmal vorgeschlagen, dass wir dochmal einen Trinken gehen könnten. Eigentlich stand eine ur-japanische Yakitori (Hühnerspieße)-Kneipe auf dem Plan, aber gerade am Samstag kam Ueda-san im Freshroom vorbei, ein Koch, der vorher hier gewohnt hatte. Flugs hatten wir die Super-sonder-Einladung zu seinem Restaurant in der Tasche, in das man nur per Visitenkarte rein kann. Warum und wie das wirtschaftlich funktioniert, ist mir ein Rätsel, aber das konnten wir uns jedenfalls nicht entgehen lassen. Hatte ich schon erwähnt, dass ich *hust* Student bis und *hust* deswegen bei solchen Anlässen nicht zahle? Yay! Wir kamen also gegen 6.30 Uhr in Azabu-Juban an und verbrachten erstmal unsere Zeit mit - genau - Adresse suchen. Am Ende erklärt sich die Visiten-Karten-Strategie schlicht und ergreifend aus der Tatsache, dass den Laden sonst eh keiner findet? Was soll ich sagen: Um die Ecke hinten schräg runter links geguckt, Treppe runter ins Unterirdische gefunden- schon ist man am Ziel.


Stellt euch die Ansicht jetzt grade vor: So präsentiert sich der kleine Raum. Es gibt auch ein separates Zimmer für angemeldete Gruppen. So aber sitzt man an der Theke und schaut ratlos, weil es weit und breit kein Menü gibt und man nicht so recht weiß, wie's weiter geht. Aber da sowieso nur 6 Stühle vorhanden sind, ist man ja ganz dicke mit dem Koch, der einen fragt, was man sich denn so vorstellt und was es so geben und könnte und überhaupt. Er hätte mal ein Menü gehabt, erzählt er, aber die Gäste lesen das eh nicht und wenn, fragen sie, was gemeint ist, dann kann er es auch gleich erzählen.

Wir hatten jedenfalls keine Ahnung und der geheime Auftrag muss irgendwie "Bringen Sie, bis wir satt sind" gelautet haben. Das macht klamme Taschen wie mich natürlich sofort nervös, aber ich erwähnte ja schon.... Es kamen also der Reihe nach unglaublich leckere Sachen, die nach dieser oder jener Kyotoer, Osakaer, Französischer Art zubereitet worden sind und in Gefäßen serviert wurden, die aus der Meiji-Zeit stammen und gerne an die 1000 Euro kosten. (Ok, ich ich habe diese lächerlichen Ich-habe-die-Vase-zerbrochen-jetzt-muss-ich-Sklavenarbeit-machen-Geschichten, die japanische Filme so über alles lieben, für 'nen Witz gehalten. Aber wer etwa auf sich hält, dekoriert sich wohl tatsächlich mit Tonware erster Güte. O_o) Im Zuge des Abends bekamen wir nicht nur Essen, sondern auch die Lebensgeschichte des Kochs und die unserer Freshroom-Mitbewohner serviert (har har) und als ich das erste Mal auf die Uhr schaute, war es kurz vor 12 Uhr und wir mussten schauen, dass wir den letzten Zug nicht verpassen. Da hab' ich mal wieder gemerkt, wie sehr mir Tokyo in den Knochen saß und wie gut so ein unterirdischer Ruheort tut. Jetzt weiß ich, warum solche kleinen Restaurants überleben können.

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Sushi durfte natürlich nicht fehlen. Die Sachen wurde alle der Reihe nach in kleinen Mengen serviert, so dass wir am Ende eine ganze reihe gegrillter, gekochter, roher Fischlis, verschiedenes Fleisch und Gemüse verdrückt haben. Die Menge passte auch haargenau.

Am nächsten Tag, Sonntag, war Harajuku im Regen angesagt, um daraufhin Bin (China) und Matias zu treffen. Facebook ist also auch mal zu Nütze, ich hätte sonst nie herausgefunden, dass die beiden sich kennen. Aber Tokyo ist ja bekanntlich ein Dorf...

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