Mittwoch, 24. Oktober 2012

Hacchobori

Ja, ich weiß, ich hab' diesen Blog sträflich vernachlässigt. Es erreichen mich Nachrichten von beuunruhigten Familienmitgliedern, die sich fragen, ob es mich noch gibt. Also ja, es gibt mich noch. Ich bin noch nicht mal soooo beschäftigt, wie die letzten zwei Jahre. Aber dieser plötzliche Japanaufenthalt birgt eben doch auch andere Tücken.

Seit ich hier bin, beschäftige ich mich damit, irgendwie einen Plan darüber zu erstellen, was ich eigentlich hier will. Das ist aber schwierig, weil sich das mit der Literaturrecherche eben immer erst so stückchenweise ergibt. Also bin ich fleißig in der Bibliothek und verusche, irgendwie Ordnung in meine Forschung zu bringen. Daneben versuche ich, mal wieder ordentlich ins Japanisch Lernen zu investieren, was mir einen Halt im Wochenplan geben soll, aber irgendwie... bin ich doch daran gewöhnt, vornehmlich zu Hause zu arbeiten und das ständige Pendeln zwischen Bibliothek, Cafe und Mensa ist irgendwie nicht mein Ding, verschlingt Zeit und erfordert mehr Planung, als ich aufbringen kann. Vor allem wegen des Internets, ohne das das Leben eines Studenten einfach nicht machbar ist. Aber nun habe ich endlich einen Uni-Online-Zugang (der mich mal eben 250 € kostet, wie ich heute erfahre, ohne vorher je von Kosten gelesen/gehört zu haben.). Die eingeschränkte Erreichbarkeit war jedenfalls sehr ungünstig, weil meine Konzentrationsversuche aufs Wesentliche in diesen letzten beiden Wochen auch fleißig von Universitäten und Stiftungen gleichermaßen torpediert wurden, die immer dieses oder jenes haben wollen, ich aber im Prinzip nicht zu Hause war. ... Naja, es bleibt festzuhalten, dass Studium zu 90% aus Verwaltung und VerwaltungEN besteht, die sich mit sich und allen anderen v.a. im Unklaren befinden, was ziemlich schlaucht. 

So auch wieder mal diese Riesen-Stadt, die mich damit nun schon zum viertel Mal überrascht. Die (wenigen) Ereignisse der letzten beiden Wochen lassen also noch in bisschen auf sich warten, diesmal kriegt ihr das Haus und die Gegend vorgestellt, in der ich wohne. 

Ich wohne im Stadtteil Hacchobori, direkt neben dem Bahnhof von Tokyo und damit also im (ziemlich östlichen, aber immerhin) Herz der Stadt. Ziemlich teuer, möchte man meinen, aber ich bin in einem Guesthouse untergekommen, an dem alles, v.a. eben der Preis, ziemlich moderat ist. Das fängt bei der Lage an. In der Mitte zu sein, hat natürlich seinen Vorteil, die Nachteile sind aber auch nicht ohne. Z.B. befindet sich mein unscheinbares Häuschen umzingelt von Hochhausriesen, was v.a. bedeutet: Es ist finster. Es ist von morgens an finster, natürliches Licht ist an diesem Ort nicht vorgesehen. Ansonsten bietet die Lage natürlich sau-teuere Einkaufsmöglickeiten, weit-und-breit keinen 100-Yen-Shop und die Schnellstraße ist selbstverständlich inklusive. "Wie leise es hier doch ist" zwitscherte unlängst eine japanische Freundin, als sie dem natürlichen Geholpere der Lastwagen, den Polizeisirenen und dem allgm. Straßenlärm lauschte.  Ich hätte ja nur die Straße als Störfaktor - das ist Luxus. Richtig, man muss es positiv sehen: Andere Leute wohnen schließlich 10 cm neben der Bahnstrecke.     

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Dies ist der Eingang, um den ich beim ersten Mal mit meinem schweren Koffer sicherlich 15 Min. herumgekreist bin, bevor ich ihn als Eingang identifizierte.Jeder hat sein Schuhfach, es herrscht Pantoffel-Zwang.

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Als erstes trifft man auf die Küche, wenn man nach oben geht. Dieser Ort ist der soziale Treffpunkt, an dem man mit den sonstigen Bewohnern ins Gespräch kommen kann. Diese bestehen zum Großteil aus leutseligen älteren japanischen Herren um die 40-50, die ich zuuuu gern fagen würde, warum um alles in der Welt sie in einem Guesthouse leben. Aber das geht wohl nicht. Außer einer Französin, deren Zimmer direkt in der Küche ist (eindeutig Arschkarte^^), scheine ich die einzige Ausländerin zu sein, wobei der Großteil der Bewohner sich allerdings gekonnt versteckt. Jedenfalls ist das Haus angeblich voll, ich habe aber erst eine handvoll Leute gesehen. 

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Ein Stockwerk darüber ist "das Bad". D.h. es gibt ca. 5 Duschkabinen und viele Waschbecken, gegenüber denen aber auch wieder Leute wohnen. Ich fürchte, die störe ich abends öfter mit dem Fön, aber noch hat sich keiner beschwert. Das ganze könnte schon ein bisschen komisch sein, aber bisher habe ich noch nie Konkurrenz gehabt, wenn ich am Waschbecken stand, von daher ist das eigentlich kein Problem. Noch ein Stockwerk weiter drüber befinden sich die Toiletten. 

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Noch ein Stockwerk höher ist mein Zimmerchen. Im Prinzip ist das sehr praktisch, denn unter mir ist  nur die Toilette und neben mir ist nur ein leerer Raum unbestimmten Zwecks, so dass ich niemanden so richtig stören kann. Das ist bei der Wandbeschaffenheit hier durchaus vorteilhaft. Mein Zimmer ist diesmal 4 Tatami groß, was im Vergleich zu meinem letzten Guesthouse (2,5) eine echte Verbesserung ist. :) Allerdings war damals die Platznutzung wesentlich effizienter durch das Hochbett, aber ejal. Solange die zwei Haken in der Außenwand irgendwie den Großteil meiner Klamotten ertragen, ist alles i.O... Und ich habe diesmal sogar zwei Fenster, ha!

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Das Bett hat ja nun eine kuschelige Decke und ein Kissen und so langsam hab' ich mich eingerichtet, so dass ich nicht mehr über mein Zeug falle. Von daher is es schon ein niedliches kleines Zimmer, das eben das Problem hat, dass es nie hell ist (die Fotos verdanken ihr Licht der Kamera), denn hinter den Fenstern gibts nur Hauswand zu sehen. Und selbst im Sommer ist es kalt. Zumindest bei den jetzigen 24°C draußen ist es hier immer gefühlte 10°C kälter... Und man ist halt doch verwöhnt. Der Hocker mit der Mini-Lehne und die Abwesenheit eines Sofas in diesem Haus setzen meinen jugendlichen Knochen jedenfalls mehr zu, als gedacht. o_o

Die direkte Nachbarschaft besteht hauptsächlich aus Büro-Hochhäusern, mit Cafes und Restaurants dazwischen. Wenn man ein bisschen weiter geht, kommt man jedoch schon ans Wasser.

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Überraschenderweise gibt es in der Nachbarschaft relativ viele "Parks". Diese sind ja, wie wir wissen, immer fein auf jeder Karte als grüner Fleck identifiziert, was jedem Ausländer Grünzeugs und Natur suggeriert. Die richtige Übersetzungwäre jedenfals "Platz". Auf diesen Plätzen sind ein paar Bänke, 'n Baum und 'ne Rutsche.  Die habe ich zu Lektürezwecken eifrig frequentiert (also die Plätze), was bei dem Wetter hier sehr schön war. Bis auf heute, wo ich nur über die Straße vorm Haus saß, um bei Regen schnell verschwinden zu können und trotzdem unrettbar von der plötzlich eintretenden Sintflut hinweg gefegt wurde. O_o 

Das Foto gibt die Sintflut nicht richtig wieder. Es wird jedenfalls demnächst auch hier kälter. Schade eigentlich.

Die Essenz des Ganzen ist jedenfalls: Ich bin praktisch nicht zu Hause. Ich gehe aus dem Haus, verbringe die Stunden irgendwo zwischen Parks, Mensa, Bibliothek und irgendwelchen Cafes und versuche, mein Zeugs dabei zu erledigen. Und das stresst gewaltig. Man ist ja wirklich von morgens bis abends weg und wuselt andauernd durch diese Bahnhöfe und Straßen und Tunnel und was weiß ich. Deswegen sind die Tage hier so schnell weg, obwohl man wie immer nicht die Hälfte von dem geschaft hat, was man wollte. Weil man nicht "zu Hause" ist und weil es nicht "gemütlich" ist. Nicht mal die Cafes, die natürlich Cafe-Ketten sind, überklimatisiert und auf kurz verweilende Gäste ausgelegt. Machen die Tokyoter das alle so? Der Blick in die Cafes sagt: ja. Das ist tödlich auf die Dauer, da bin ich mir sicher. 

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