Und da man ja nicht gerade gleich im Januar die guten Vorsätze über den Haufen werfen will, bin ich super-früh und gut gelaunt auf Arbeit aufgeschlagen - wo wegen Feiertag geschlossen war. Damit war mein Arbeitseifer gleich stiften gegangen, aber für die Jet-Lag-Justierung ware es auch nicht schlecht, dass ich nach ein paar Stündchen Zettelwirtschaft wieder von dannen ziehen konnte. Dank weihnachtlicher Schlafmütze kann man ja auch wieder ordentlich schlafen, ohne dass einem die Ohren festfrieren.
Am Samstag dann stand Kultur auf dem Plan - Es sollte zum Uhrenmuseum in Yanaka gehen. Da der Tag zwar kalt, aber sehr schön sonnig war, habe ich das angepeilte Ziel gemächlich eingekreist (Nein, hat gar nichts mit den verschachtelten Straßen des alten Yanaka-Viertels zu tun!) und bin erst einmal über den Yushima Tenman-guu Schrein gestolpert, an dem das Neujahrgeschäft noch in vollem Gange war.
Der Legende nach wurde der Schrein im Jahr 458 zu Ehren der Gottheit Ame-no-tajikarao-no-mikoto gegründet. Im Jahr 1355 kam dann die Verehrung Sugawara no Michizanes (845-903) hinzu. Michizane war ein Gelehrter, Dichter und Aristokrat, der einst hohes Ansehen genossen hatte, dann aber aufgrund einer Intrige ins Exil geschickt wurde und dort starb. Nach seinem einsamen Tod brachen jedoch Seuchen und Dürre aus und die Große Audienzhalle des kaiserlichen Palastes wurde wiederholt von Blitzen getroffen. Kyoto versank in Regenstürmen und Überflutungen. Eindeutig war der wütende Geist von Michizane in Form des Donnergottes Raijin verantwortlich. Flugs wurde also ein Shintō-Schrein mit dem Namen Kitano Tenmangū in Kyōto gebaut und Michizane gewidmet.
Und was hat der Schrein in Tokyo damit zu tun? Nun, die die Bewohner hatten im 14. Jahrhundert nächtelang böse Träumen und es wurde entschieden, dass Michizane noch nicht genug verehrt wird und immer noch sauer ist - und schon wurde er eiligst mit verehrt.
Michizane wurde im übrigen postum auch wieder in seine Ämter und Titel eingesetzt. Wird ihn sicher gefreut haben. Da seine Ehre jedenfalls wiederhergestellt worden war, wurde Michizane irgendwann aus einem Rachegeist zum Unterstützer von Schülern und Studenten.
Dehalb sieht es im Januar auch so aus am Schrein: Alles hängt voller Ema-Votivtafeln, auf denen fromme Wünsche zum Bestehen der Prüfungen in diesem Jahr geäußert werden. Man muss praktischerweise nicht selbst gehen, Mutti kann auch für einen wünschen. Konkrete Wünsche lassen sich sicher am besten erfüllen, deshalb schreiben viele ihren Namen, ihre Adresse und die Namen der Wunsch-Universitäten oder Highschools auf die Tafeln.
Vom Tenman-guu aus ging es in den Park von Ueno, in dem Horden von bis an die Zähne ausgerüsteten Kamera-Rentnern Enten und sonstige Vögel vor die Linse kriegen wollten. Die fetten Spatzen fressen den bekannten Dauerspaziergängern jedenfalls schon aus der Hand.
Danach kam endlich das Yanaka-Viertel und ich lief äußerst zielsträbig im Zick-Zack dem Uhren-Museum entgegen. Yanaka lässt vielleicht am besten erkennen, wie das alte Tokyo vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Erdbeben von 1923 ausgesehen hat - lauter kleine Gassen, lauter kleine Hütten dicht an dicht und überall schlafen realtiv kleine Tempel dazwischen. Wahrscheinlich im Verhältnis 2:1.
Der Eingang des Museums ist jedenfalls deutlich erkennbar - an den verwitterten Schildern rechts und links des Museums, auf denen man fast keine Schrift mehr erkennen kann. Das Museum ist so klein, dass man das Personal aus dem Wohnhaus rausklingeln muss, damit es geöffnet wird. Trotzdem verloren sich plötzlich fünf weitere Leute in den kleinen Raum (ok, einer bezahlte nur, um gleich nach der Toilette zu fragen) und bestaunten eine kleine Kollektion 200 Jahre alter Uhren. Und was für Uhren! Solche, die praktisch nie die Zeit richtig angaben!
Da man keine Fotos machen darf, hier man ein Bild von Wikipedia.
Mechanische Uhren wurden von den Portugiesen eingeführt und schnell japanisiert. Das Ziffernblatt wurde durch die 12 Tiere des chinesischen Kalenders ersetzt, womit die Zeit in 12 Einheiten eingeteilt wurde: 6 für den Tag, 6 für die Nacht. So weit, so einfach. Lediglich mit der Zählung gab es ein Problem, denn die Buddhisten reservierten die Zahlen 1 bis 3 für sich, um zum Gebet zu rufen. Außerdem wurde die Zeit rückwärts gezählt, so dass im Endeffekt Mitternacht die 9. Stunde ist, zum Sonnenaufgang die 6. Stunde schlägt und die Stunde vor Mittag die 4. Stunde ist. Mittag ist dann wieder die 9. Stunde.... So richtig schwierig wurde es aber, als man bedachte, dass die Tage im Jahr ja unterschiedlich lang sind, da in Japan die Normalzeit jedenfalls nicht erfunden wurde. Und so wurden die Uhren so konzipiert, dass man Gewichte hin und her schieben kann, um die Uhr zu verlangsamen oder zu beschleunigen, damit man die Länge des Tages adequat erfassen konnte. Alle zwei Wochen musste die Uhr daher angepasst werden, was von einem Uhrenmeister vorgenommen werden musste... und im Endeffekt liefen die Uhren nie gleich. Mussten sie aber auch nicht, denn wie man erfuhr, waren Uhren eher Statussymbole der Landesherren, auf die Uhrzeit kam es letztendlich nicht an. Für die gab es schließlich die Uhrentürme, an denen die Uhrzeit öffentlich gegongt wurde.
Auf dem Rückweg gab es noch eine Katzengeschichte im traditionellen Schiebe-Bild-Erzählstil zu sehen. Die leiden von Katzen in der Arbeitswelt bannten jedenfalls die überwiegend betagten Zuhörer.
Wasser-Kunst im Ueno-Park. Sehr ihr die Ueno Zoo-Pandas? :D
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