Montag, 29. Juni 2015

Symposium Japan-Style an der Universität Tokyo

Ich bin nun schon das dritte Jahr in Japan mit dem Ziel, zu forschen, und natürlich auch mit dem Ziel, andere Forscher in meinem Feld kennen zu lernen. Das gestaltet sich auf der einen Seite einfach, auf der anderen Seite ziemlich schwer. 
 Das Wahrzeichen der Universität Tokyo, der Nr. 1 unter den japanischen Unis. Damit dieser Beitrag etwas aufgelockert wird, kriegt ihr Bilder von der Uni zu sehen, weil ich dort zur Konferenz war.

Das meiste davon hat mir der institutionallen Struktur zu tun. Diesmal bin ich z.B. am Deuschen Institut für Japanstudien und damit kein Student an einer japanischen Universität. D.h. es gibt niemanden, der mich einem Professor oder so vorstellen könnte, was der übliche Weg ist. Andererseits habe ich einen Ausländervorteil, so dass direktes Anschreiben bisher immer gut funktioniert hat, was vielleicht ein bisschen darauf zurückzuführen ist. 

Die zweite Möglichkeit ist natürlich die Teilnahme an Symposien und Konferenzen etc.pp. Es ist nur gar nicht so leicht, da heranzukommen. Stichwort: Internet ist Neuland. In der Englisch-sprachigen Welt ist es üblich, möglichst viele Leute erreichen zu wollen, weswegen es unzähliche E-Mail Verteiler und sonstige Listen gibt, für die man sich anmelden kann um E-Mail-weise mit Neuigkeiten zu Veranstaltungen, Aufrufen, Publikationen, Stellenausschreibungen etc..nur so zugespammt zu werden. Jeden Morgen arbeite ich mich erstmal durch eine Liste von zig E-Mails, die mir mitteilen, was weltweit in der Japanologie so los ist. So kann ich auch ganz einfach erfahren, was die englischspachige Community so macht in Japan und kann zu tausend Konferenzen in und um Tokyo wandern. Ganz im Sinne des Orientalismus lässt es sich da super zumindest ohne Japaner über Japaner konferieren. 

 Der Hongo-Campus ist unglaublich weitläufig. Er umfasst mehrere Straßenzüge und etliche Bahnhaltestellen. Die Universität hat fünf Standorte sowie zehn Fakultäten mit insgesamt ca. 28.000 Studenten.

Will man jedoch erfahren, was denn die japanische Wissenschaft so treibt, ist es ungleich schwerer. Obwohl unser Institut direkt am Sophia-Campus liegt, wissen wir nicht, was die Sophia so machtt. Es gibt keinen Austausch mit japanischen Professoren. in Japan scheinen Konferenzen nur von Forschungsgruppen oder -gesellschaften organisiert zu werden, die an diesem Instiutut oder jenem Professor hängen und recht intern eingestellt sind: Man muss bei allen einzeln Mitglied werden und Mitgliedbeitrag bezahlen, um Informationen zu bekommen. Wenn man an einer Konferenz teilnehmen möchte, muss man mindesten ein Mitglied kennen, um dabei sein zu dürfen. Selbst dann ist Einmischung von außen kaum erwünscht: Nicht-Mitglieder dürfen zwar die Lauscher spitzen, aber an der Diskussion nicht teilnehmen und keine Fragen stellen. 

Ich habe also Google befragt und eine viel versprechende Konferenz gefunden. Zufälligerweise konnte ich dafür einen alten Kontakt aus Keio-Zeiten reaktivieren und wurde also zur Konferenz an der Univerisät Tokyo eingelanden.
Die Gebäude der Uni sind alt - in mehrfacher hinsicht. Die Uni wurde 1877 gegründet und liegt auf dem Gelände, auf dem sich zur Edo-Zeit das Kaga Yashiki, die Stadtresidenz der Mori, Lehnsfürsten von Kanazawa, befand. Man munkelt, etliches wurde seither nicht restauriert - eine Anspielung darauf, dass die staatlichen Universitäten in Japan die niedrigesten Studiengebühren und damit auch as kleinste Budget für Instandhaltung haben. 

Sagen wir, ich fand alle meine Vorurteile bestätigt. ;) Ohne behaupten zu wollen, dass es in Deutschland nicht auch vortragstechnische Plinsen gäbe, war Einiges schon ziemlich grenzwärtig. Zunächst einmal gehört zu jedem Vortrag ein Handout, was entweder der ganze Vortrag in ausgeschriebener Form ist oder gleich ein fertig geschrieber Artikel. Je nach Vortragendem varriiert dann die Art, wie diese schriftliche Vorlage in 20 Minuten vokalisiert werden kann:
a) Wir ignorieren sämtliche Erkenntnisse bezüglich einer erfolgreichen mündlichen Vortragskultur und lesen einfach unseren wunderbar schriftsprachlich und hoch verkompliziert geschrieben Artikel vor - bei knapper Zeit zum Ende hin gerne auch mit 4facher Geschwindigkeit.  Zum Glück kann ja eh jeder mitlesen und mal ehrlich - anschauliches Erklären wird überbewertet.

b) Deswegen varriieren wir dies so, dass wir alle interessanten veranschaulichenden Beispiele weglassen und nur das langweilige Drumherum vorlesen. Finden bestimmt alle spannender.
c) Wir wissen außerdem, dass 20 Seiten Artikel vielleicht doch nicht in 20 Minuten passen. Daher lesen wir teilweise vor, teilweise fassen wir Abschnitte zusammen. Für den Spiele-Spaß verraten wir aber nicht, wo wir weiterlesen, wenn wir vorher zusammenfassen. Sollen die doch suchen!
d) Oha, wir haben schon von Power Point gehört. Damit kann man angeblich was an die Wand werfen, was andere dann beim Vortrag sehen können. Aber Moment - wenn die das Script lesen sollen und auf die Power Point schauen müssen - Mensch, das verwirrt doch bloß! Wir verfrachten einfach Teile aus dem Artikel auf die Power Point, doppel hält vielleicht besser. Übersichtlichkeit ist was für den Kindergarten.
e) Uns ficht gar nichts an. Wir bringen 50 Seiten Skript mit und fangen dann frei an zu erzählen. Dabei blätten wir wie wild in dem Skript. Wir verraten nicht, inwieweit Schrift und Wort zusammen hängen und überhaupt, wer sagt, dass es einen Zusammenhang geben muss? Müssen wir überhaupt  zusammenhängend reden? Wenn keiner nix versteht, denken alle, ich bin ein Genie!

f) Welt? Es gibt eine Welt da draußen?  Aber die können uns gar nicht verstehen. Nur Japaner können Japaner verstehen. Deswegen haben wir auch keine einzige Nicht-japanische Quelle, das wär ja noch schöner. Als Exot geht gerade mal noch Max Weber in Übersetzung oder so.

Jaja, ich übertreibe. Aber nur ein gaaanz kleines bisschen. :(

 Das "Rote Tor" (Akamon) ist das wohl bekannteste Bild der Universität. 

Danach fand die Podiumsdiskussion statt und ich musste einmal mehr feststellen, dass sich die Problemunkte beim Thema Neue Religionen einfach von der internationalen Forschung stark unterscheiden. Seit die Gesellschafts- und Religionsforscher massiv unter Druck gesetzt wurden, nachdem der Giftgasanschlag auf die Tokyoter U-Bahn 1995 passiert war und niemand vorher vor der Gruppe gewarnt hatte, ist die hiesige Forschungslandschaft voll und ganz darauf eingestellt, das Gefährdungspotential von Neuen Religionen zu definieren, zu bemessen und zu bekämpfen. Diese sicherlich ehrenhafte Agenda erscheint jedoch forschungstechnisch, sagen wir mal, leicht subjektiv. Ich bin jedenfalls gespannt, inwieweit sich dies auf die historische Forschung auswirkt. Dazu werde ich im Juli Gelegenheit haben, denn ich wurde nach Kyoto zu einer weiteren Konferenz eingeladen. 

Der Hongo-Campus hat in der Mitte einen sehr schönen kleinen japanischen Park mit Teich. Da kann man dann in der Pause auch angeln gehen oder grillen. Der Sanshirō-Teich gehörte noch zur Residenz des Fürsten und ist nach einem Roman von Natsume Sōseki benannt. Die Tokyo-Uni ist besonders für Literaturwissenschaft (und Jura) bekannt.

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